Interview mit Louis - Selbsteinschätzung in Sachen Mediennutzung und Lernen während Corona

Check der Bildschirmzeiten – Nutzt das wirklich etwas?

„Man bekommt in Kategorien angezeigt, wofür man seine Bildschirmzeit nutzt. Das Telefon schickt mir Push-Nachrichten, sodass ich meine Bildschirmzeit prüfen kann. Auf dem Telefon werden die Zeiten in 3 Kategorien eingeteilt: Spiele, Soziale Medien und Unterhaltung. Unter den einzelnen Kategorien kann ich dann sehen, welche Apps gelistet sind. Für diese Woche kann ich sehen, dass ich 5 Stunden und 24 Minuten spielte. Zu den Sozialen Medien zählen bei mir Apps wie Whats App und Instagram, bei vielen in meinem Alter und vor allem auch bei Jüngeren ist Tik Tok die App mit einer sehr hohen Bildschirmzeit. Ich checke meine Bildschirmzeit am Laptop nicht, aber am Handy schon regelmäßig.

Bei manchen sind es zwischen 4 und 6 Stunden täglich, bei mir eher zwei Stunden. Viele sind aber auch auf Apps wie eben Tik Tok unterwegs, was in die Kategorie soziale Medien fällt. Tik Tok ist der übelste Fänger für Jugendliche und hat echt sehr gute interessensspezifische Algorithmen, da bleibt man einfach hängen. Man bekommt immer kurze, sehr nice Videos, nice Trends, die Atmosphäre geben und dann wischt man einfach nach unten und hat das nächste. Soziale Medien teilen sich bei mir sehr gut auf in Instagram und Whatsapp, insgesamt etwas über 3 Stunden.

Also ja, man kann an den Bildschirmzeiten ablesen, wieviel man sich mit dem Gerät beschäftigt und viele checken und vergleichen das auch. Wenn man es selbst nicht mehr reflektieren kann, dann kann man da gut ablesen. Und mit anderen darüber zu reden und zu reflektieren hilft auch, sich selbst einzuschätzen.“

Wie kommst du zuhause runter?

„Ich komme zuhause an, will runterkommen und leg ich mich ins Bett und schaue YouTube-Videos. Wenn ich Schularbeiten mache, zum Beispiel Protokolle schreibe, hab ich oft die ganze Zeit ein Video dabei laufen. Ich kann trotzdem gute Arbeit abliefern, es lenkt mich nicht so sehr ab. Aber raten kann ich das niemandem, denn oft bekommt man sofort angezeigt, wenn Youtuber, die man mag, neue Videos hochgeladen haben. Viele können sich dann gar nicht mehr auf die Arbeit konzentrieren und schaffen dann ihr Zeug gar nicht erst. Das frustriert und und kann ein Grund dafür sein, dass man in eine Spirale kommt, in der man immer hinterher hängt und dann in den Pausen schnell die Aufgaben erledigt – wenn überhaupt.“

Hast du mehr Zeit an den digitalen Geräten während der Corona-Zeit verbracht?

„In der Coronazeit ist es eigentlich nicht mehr geworden. Wir haben aber einen spannenden Unterschied in dem Schrittzähler, der auf dem Telefon Teil einer Health-App ist, bemerkt. Ich hatte vor Corona im Jahresdurchschnitt 10.000 Schritte am Tag. Im Coronajahr hatte ich durchschnittlich 7000 Schritte am Tag. Ich war auch gefühlt unfitter.

Der soziale Kontakt wurde nicht ersetzt durch Treffen im Internet. Wenn, dann ist er ausgefallen und hat sich vielleicht ein bisschen mehr auf soziale Medien verlagert, aber bei mir nicht so sehr.“

Corona und Homeschooling – wie war das für dich?

„Ganz zu Anfang sind Stühle geflogen und es war Party, als es hieß, ihr geht nach Hause. Am Anfang hat keiner irgendwas gemacht. Irgendwann stellt sich der Zwang ein, Aufgaben mit engen Deadlines und sehr viele davon. Dann muss man eine eigene Struktur entwickeln und dann lief es ganz gut. Schüler erarbeiteten sich was, dann wird per Videokonferenz mit dem Lehrer oder der Lehrerin verglichen und es kommt direkt Feedback und neuer Input. So lief es bei uns. Die Hälfte der Zeit Neues erarbeiten, dann Videokonferenz und mit dem neuen Input weitermachen. Damit hat Homeschooling für mich funktioniert. Was mich gestört hat, war das Wechselmodell: Eine Woche Schule – Homschooling – Schule. Irgendwann hatte ich eine Struktur im Homeschooling und dann wechselte die mit der Woche Schule, was eine völlig andere Struktur brauchte. Das war total stressig, weil ich nicht wöchentlich meine komplette Alltagsstruktur ändern kann. Für meine kleine Schwester in der 3., bzw. 4. Klasse hat es gut funktioniert, weil sie mit 10 einfach ihre Freunde gesehen hat und der Lehrer in der Grundschule ganz anders wichtig für sie ist. Für meine Altersgruppe hat es nicht funktioniert.

Negativ am Wechselmodell war auch der ineffiziente Unterricht, weil die Lehrerinnen und Lehrer von Raum zu Raum gewechselt sind, um beide Teile der Klasse zu betreuen. Die Unklarheit war auch groß. Da stand auf den Seiten des Ministeriums das Eine und die Schulen haben in Eigenverantwortung spontan anders entschieden. Planung war damit weder für unsere Lernzeiten möglich noch für Privates. Ein geführtes, klares Prinzip hätte geholfen. Man ist dauerhaft auf Achse, weil man immer spontan sein muss.“

War die technische Ausrüstung ein Problem?

„Da gibt’s ein cooles Video von Simplicissimus das echt die Probleme gut zusammengefasst hat. Im Grunde war der Digitalpakt für die Schulen, der vor Corona schon beschlossen wurde, sinnfrei, weil die Schulen nicht geführt wurden und es extrem hohe Hürden für die Gelder gab. Außerdem war das Geld sowieso zu wenig und viele Lehrer wären auch nicht geschult die Technik zu bedienen. Für mich persönlich war es ok, ich hab einen Laptop und hab zuhause mit informierten Lehren Konferenzen gehabt. Aber für viele war das wirklich ein Problem, die waren völlig abgehangen.“

Wie bist du mit dem eigenen Tagesplan zurechtgekommen?

„Der eigene Tagesplan, den ich in der reinen Homeschooling-Zeit hatte, war gut. Wann und wie ich arbeite, meine Flexibilität und mein Arbeitsverhalten hat sich verändert. Vor Corona war Selbstverantwortung kein Thema. Jetzt haben wir Selbstverantwortung, weil wir uns selbst strukturieren mussten. Die Selbstverantwortung sinkt auch nicht durch den Präsenzunterricht jetzt, denn die Fähigkeit habe ich ja erlernt. Die Entscheidung eines Schülers, aus Eigenverantwortung 8 Uhr aufzustehen und Schule zu machen, ist jetzt erst eine eigene Entscheidung geworden, das war es vor Corona nie.

Gut an dem Präsenzunterricht jetzt ist das bessere Verstehen von schulischen Inhalten, weil ich den Lehrer als Ansprechpartner habe. Wenn ich das sage als jemand mit relativ guten Noten, dann ist das für die, die nicht so gutstehen, noch wichtiger.“

Was ist denn für dich ein problematischer Umgang mit Medien?

„Schwer zu sagen, wann jemand wirklich medienkrank ist. Mediensucht äußert sich für mich, wenn man andere Prozesse unterbricht, weil halt eine Push-Nachricht kommt oder irgendeine digitale Information über soziale Medien. Das kann ein Insta-Beitrag oder ein Youtube-Video sein, ganz egal. Die Pause vom digitalen Arbeiten ist digitaler Konsum. Die Hemmschwelle ist gesunken, weil PC sich jetzt mit Schule verbunden hat. Man hat kein eigenes Gefühl mehr dafür, wann es zu viel Digitales ist, weil durch Corona digitale Nutzung  nicht nur Freizeit, sondern auch Schulzeit ist. Bewusste Auszeiten vom Bildschirm gab es vor Corona öfter.“

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